Datum
09.12.2022
Titel
Der Pflegenotstand in der Pädiatrie lässt sich nicht mit Ad-hoc Maßnahmen heilen.
Text

In diesem Jahr hat die Krankheitswelle nicht nur früher eingesetzt, sondern trifft insbesondere die Kindergarten- und Schulkinder. Durch die Corona-bedingten Schließungen und Hygienemaßnahmen in den Kindertagesstätten und Schulen fand in den letzten Jahren die natürliche Immunisierung kaum statt. Diesen Rückschluss zieht zumindest das Bundesgesundheitsministerium und mag damit auch nicht ganz falsch liegen. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Phänomen auch vor Corona immer pünktlich zur kalten Jahreszeit in unterschiedlicher Ausprägung und nicht selten mit vergleichbarer Dramatik wie in diesem Jahr aufgetreten ist. Fakt ist, dass über Jahre hinweg versäumt wurde, die Pflege in der Pädiatrie zu stärken.

Das Pflegemanagement steht vor zusätzlichen, kaum noch handelbaren Herausforderungen. Pflegefachpersonen sind selbst erkrankt oder fallen durch die Betreuung eigener erkrankter Kinder aus. Die dringend einzuhaltenden Hygiene- und Isolationsmaßnahmen sind mit den noch anwesenden Pflegenden nicht mehr durchführbar. Das Belegungsmanagement ist nicht mehr Meeting zur strukturierten Bettenverteilung, sondern Ort unendlicher Abwägungen was der Berufsgruppe und den Patient*Innen noch zugemutet werden kann.

Dieser Notstand soll nach Vorstellung des Bundesgesundheitsministers gelöst werden, indem die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung ausgesetzt wird und Pflegefachpersonen aus Erwachsenenbereichen auf Kinderstationen versetzt werden. Warum dies nicht die Lösung des Problems sein kann, erklärt Sarah Lukuc, Vorsitzende des Bundesverbands Pflegemanagements: „Es gab schon vor dieser Erkrankungswelle zu wenig Mitarbeitende in den Kinderklinken. Nun die Menschen, die vor Ort arbeiten, in Bereiche zu schicken, denen sie sich weder fachlich noch emotional gewachsen fühlen, kann nur in einem Fiasko enden. Es können gar nicht so schnell so viele Expresseinarbeitungen für die Pädiatrie stattfinden, wie benötigt werden. Auch ist es nach den Jahren der Pandemie selbst den flexibelsten Mitarbeitenden kaum zuzumuten, von einer Extremsituation in die Nächste befördert zu werden.“

Eine strukturelle Ursache für die Grundmisere liegt darin begründet, dass die finanzielle Entlastung für die Kinderkliniken Fehlanreize setzt und die Versorgungssituation damit weiter verschärft. Kinderkliniken, die 80 % der Leistung bringen, werden belohnt mit einem finanziellen Ausgleich in Höhe von 100 %. Dadurch steigt aber weder die Zahl der Pflegenden noch die Zahl der versorgten kleinen Patient*Innen. In der Konsequenz müssen große Pädiatrische Zentren oder Pädiatrische Maximalversorger die verlagerte Patientenströme versorgen, was weder personell abbildbar ist, noch finanziell gerecht. Bei 100 % und mehr Leistung bleiben die großen Einrichtungen beim finanziellen Ausgleich außen vor.

„Anstelle von Ad-hoc Maßnahmen mit für die Pädiatrie nicht ausgebildeten Pflegefachpersonen benötigt die Pflege auch in diesem Bereich eine längst überfällige Reform, bei der die Expertise des Pflegemanagements in den politischen Gremien berücksichtigt werden muss. Jetzt kurzfristig eine Lösung herbeizuzaubern und die eigentlich notwendigen strukturellen Maßnahmen schnell wieder in Vergessenheit geraten zu lassen, ist für die Pflegenden ebenso wie für die kleinen Patient*innen fatal. Deshalb fordern wir die nachhaltige Anpassung der Anreize für die Generalistische Ausbildung sowie eine adäquate Personalbemessung die Trendforschungen miteinschließt, um Zukunftsperspektiven abzuleiten und somit auch bei Personalengpässen, die Rahmenbedingungen für eine gute Pflege und eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung zu gewährleisten“ resümiert Sarah Lukuc.

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